Wehner

Wehner
Wehner,
 
Herbert, Politiker, * Dresden 11. 7. 1906, ✝ Bonn 19. 1. 1990; zunächst kaufmännischer Angestellter, dann Journalist; bis 1923 Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), dann der Syndikalistischen Arbeiterföderation, trat 1927 der KPD bei. 1929 wurde er Sekretär der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO), 1930 stellvertretender politischer Sekretär der KPD in Sachsen. Ab 1932 arbeitete er als »Technischer Sekretär« des Politbüros der KPD eng mit E. Thälmann zusammen. 1930/31 war er Mitglied des Landtags von Sachsen und stellvertretender Vorsitzender der KPD-Landtagsfraktion. Ab 1933 wirkte Wehner bis zu seiner Emigration (1935) in Deutschland im Untergrund gegen die NS-Diktatur, danach (inzwischen Mitglied des Politbüros der Exil-KPD) u. a. in Belgien, den Niederlanden und Frankreich. Ab 1937 arbeitete er in der UdSSR beim Exekutivkomitee der Komintern (EKKI) und war als Mittäter sowie Opfer in innerkommunistische Säuberungen verstrickt. Im Auftrag des EKKI 1941 illegal in Stockholm, um eventuelle Kontakte deutscher Kommunisten mit der Gestapo aufzudecken und den Widerstand zu reorganisieren, wurde er 1942 verhaftet und von einem schwedischen Gericht wegen »Gefährdung der schwedischen Freiheit und Neutralität« zu einem Jahr Gefängnis, dann wegen Spionage für die UdSSR zu einem Jahr Zwangsarbeit verurteilt (bis 1944 in Haft). Wegen angeblichen Verrats in Abwesenheit in Moskau inzwischen aus der KPD ausgeschlossen, vollzog Wehner - nach der unter Druck und Täuschung erfolgten Gründung der SED - im Herbst 1946 den Bruch mit dem Kommunismus (»Notizen« von 1946, 1982 veröffentlicht).
 
Kurz nach seiner Rückkehr nach Deutschland schloss sich Wehner (1946) der SPD an und gehörte bald zum engsten Kreis um K. Schumacher. Wehner, 1949-83 Mitglied des Bundestags sowie 1949-66 Vorsitzender des Bundestagsausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen, entwarf als entschiedener Befürworter einer Wiedervereinigung Deutschlands zusammen mit anderen Sozialdemokraten einen Deutschlandplan der SPD (mit einer langfristigen Perspektive). Nach dem Tod Schumachers (1952) gewann Wehner, 1958-83 stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD, eine Schlüsselstellung in seiner Partei. Er hatte entscheidenden Anteil an der innerparteilichen Durchsetzung des Godesberger Programms (1959) und damit an der Umformung der SPD in eine linke Volkspartei. Gleichzeitig förderte er mit großem Nachdruck (Bundestagsrede vom 30. 6. 1960) die Annäherung seiner Partei an die bis dahin von ihr bekämpfte Außenpolitik der Bundesregierung unter K. Adenauer (CDU) und betrieb die Regierungsbeteiligung der SPD im Rahmen einer großen Koalition mit der CDU/CSU. Unter K. G. Kiesinger (CDU) war er 1966-69 Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen.
 
Nach der Bildung der SPD-FDP-Koalition vertrat Wehner als Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion (1969-83) mit Vehemenz die von Bundeskanzler W. Brandt konzipierte Ostpolitik, wobei er zum Teil konspirative und deshalb umstrittene Kontakte zur SED- und KPdSU-Führung unterhielt, denen selbst Brandt misstraute (»Notizen zum Fall G«, 1974, veröffentlicht 1994).
 
Schrift: Zeugnis (1982, Autobiographie).
 
Ausgaben: Wandel und Bewährung. Ausgewählte Reden und Schriften 1930-1980, herausgegeben von G. Jahn (51981, Nachdruck 1986); Selbstbesinnung und Selbstkritik. Erfahrungen und Gedanken eines Deutschen. Aufgeschrieben im Winter 1942/43 in der Haft in Schweden, herausgegeben von A. H. Leugers-Scherzberg (1994).
 
 
Der Onkel. H. W. in Gesprächen u. Interviews, hg. v. K. Terjung (1986);
 G. Scholz: H. W. (1988);
 H. Soell: Der junge W. Zw. revolutionärem Mythos u. prakt. Vernunft (1991);
 
Die Akte W. Moskau 1937 bis 1941, bearb. v. Reinhard Müller (1993);
 W. C. Thompson: The political odyssey of H. W. (Boulder, Colo., 1993);
 
H. W. (1906-1990) u. die dt. Sozialdemokratie, hg. v. D. Dowe (1996);
 M. F. Scholz: H. W. in Schweden 1941-1946 (Neuausg. 1997).

Universal-Lexikon. 2012.

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